
Für nahezu alle Substanzen, die in der chemischen Industrie bisher genutzt werden, sind deren giftigen Eigenschaften bekannt. Doch gelten diese Angaben oft nicht mehr, wenn die gleichen Substanzen als Nanopartikel vorliegen. Diese Wissenslücke soll nun Stück für Stück gestopft werden. Amerikanische Nanowissenschaftler untersuchten dazu Nanoteilchen aus Metalloxiden, die schon heute für die Produktion von Katalysatoren, Kosmetika, Enzymen oder digitalen Datenträgern verwendet werden. In der Fachzeitschrift „Chemico-Biological Interactions“ stellen sie ihre systematische Analyse vor, mit der sie den teils tödlichen Auswirkungen der Nanoteilchen auf menschliche Lungenzellen auf den Grund gingen.
„Es ist dringend nötig, den möglichen Einfluss von Nanoteilchen auf die Gesundheit und die Umwelt zu untersuchen“, sagt Yue-Wern Huang von der Missouri University of Science and Technology. Denn schon heute sind über 2.800 Produkte bekannt, die auf Nanoteilchen basieren und der Weltmarkt dieser Produkte wird für 2017 auf knapp 50 Milliarden Dollar geschätzt. Zusammen mit Kollegen der Middle Tennessee State University in Murfreesboro setzte Huang daher lebende Lungenzellen oft genutzten Nanoteilchen aus insgesamt sieben Metall-Sauerstoff-Verbindungen. Dazu gehörten Titandioxid, Eisenoxid und Zinkoxid. Als normales, grob körniges Pulver sind alle diese Substanzen weitestgehend unbedenklich, doch als meist kugelförmige Nanoteilchen mit Durchmessern zwischen 16 und 80 Nanometern ändert sich die Situation deutlich.
Schwere Metalle zeigten mehr Giftigkeit als leichte
So starben über 80 Prozent der Zellen in Gegenwart von Nanoteilchen aus Kupfer- und Zinkoxid ab. Etwa die Hälfte der Zellen in den Laborkulturen überlebten bei der Zugabe von Mangan- und Nickeloxid. Als unbedenklich erwiesen sich in diesen Versuchen Metalloxide aus Titan, Chrom und Eisen. Die gesamte Testreihe ergab ein klares Bild: Unabhängig von der Größe der Nanoteilchen selbst, wirkten sie mit steigender Ordnungszahl der Metalle umso tödlicher auf die Lungenzellen. Je weiter rechts sich die Metalle der 4. Nebengruppe im Periodensystem finden, desto eher muss mit einer zellgiftigen Wirkung der Nanoteilchen aus den entsprechenden Metalloxiden gerechnet werden. Das heißt je schwerer ein Atom des betreffenden Metalls ist (ein Zinkatom ist schwerer als ein Eisenatom, dieses ist wiederum schwerer als ein Titanatom), desto eher zeigte sich das entsprechende Metalloxid giftig.
Auch die Ursachen für diesen Trend konnten die Wissenschaftler näher ermitteln. So konnten die Nanoteilchen unterschiedlich gut in die Zellen eindringen, deren Membranen zerstören und so zum Zelltod führen. Diese giftigen Auswirkungen hingen direkt mit der elektrischen Oberflächenladung und den verfügbaren Andockstellen der Nanoteilchen zusammen. Zudem spielte das Eindringen von einzelnen Metallionen in die Zellen – Ionen-Dissolution genannt – eine wichtige Rolle.
Risiko für Mensch erst durch Tierversuche zu ermitteln
Diese Studie gibt allerdings nur Hinweise auf die giftige Wirkung von Nanoteilchen auf den menschlichen Organismus. Denn aus der Überlebensrate von Zellen in einer Laborkultur, so genannten „in vitro“ Versuchen, kann nur eingeschränkt auf eine Gefährdung für Mensch und Tier geschlossen werden. Nötig wären aufwendige Tierversuche („in vivo“), die jedoch deutlich länger dauern und zudem teurer sind. Immerhin ließe sich der Umfang solcher in vivo-Testreihen dank dieser Vorversuche begrenzen. Bis aber eine verlässliche Datenbank zur Giftigkeit aller verwendeten Nanoteilchen vorliegen wird, muss noch mit jahrelanger Forschung gerechnet werden.